vor langer, langer zeit …

Du möchtest mehr über mich und meine bewegte Vergangenheit erfahren? Ich nehme Dich hier und jetzt mit auf eine kleine Zeitreise.

14. Jahrhundert

So sehr ich meine grauen Zellen auch anstrenge, genau weiß ich es selbst nicht mehr, wann die Berchinger begonnen haben, mich zu Verteidigungszwecken zu errichten. Es war irgendwann im 14. Jahrhundert, als man mit der Stadtbefestigung begann.

1464 – 1496

In der Folge wurde ich vor allem unter der Ägide des Bischofs Wilhelm von Reichenau aus Eichstätt ausgebaut und nach und nach wehrhafter. Ich habe innerhalb meiner bis zu einem Meter dicken Mauern schon sehr viel erlebt und auch äußerlich viel wegstecken müssen, wie man auf alten Bildern sehen kann.

1504

22/23. Mai 1504 – ein schwarzer Tag in der Stadtgeschichte. Im Landshuter Erbfolgekrieg geriet die Stadt zwischen die Mühlsteine. Die heutige Vorstadt wurde im Auftrag des Markgrafen von Ansbach niedergebrannt. Götz von Berlichingen war dabei mit von Partie. Die Angreifer wollten dann auch Besitz von der heutigen Altstadt ergreifen. Die Wehrmauer erlitt dabei zwar noch heute sichtbare Schäden, konnte aber dem Kanonenbeschuss widerstehen.

1618 – 1648

Im Dreißigjährigen Krieg musste die Stadt und deren Bevölkerung erneut viel erleiden. Meine bauliche Substanz kam dagegen ohne größere Schäden davon.

1818

Im Berchinger Hausbuch lassen sich meine Besitzer bis anno 1818 zurückverfolgen.

1860

Meinen Beinamen habe ich durch einen meiner letzten Eigentümer, der Familie Allio, erhalten. Die Allios stammten aus Oberitalien und kamen über Sachsen in die Oberpfalz. Um 1860 sind sie in Berching zugezogen. Zunächst erwarben sie das unmittelbar benachbarte sogenannte Torfärberhaus.

1879

Mit dem Erwerb des Turms wurde der Familienbesitz erweitert. Die Allios, die sehr musikalisch gewesen sein sollen, waren zu jener Zeit durch ihre Dampffärberei sehr vermögend geworden. Ihnen gehörten neben Häusern in Berching landwirtschaftliche Flächen im näheren Umfeld. Letztere wurden zum Obst- und Weinanbau genutzt. Der wirtschaftliche Wohlstand der Allios war mit einer entsprechenden gesellschaftlichen Stellung verbunden. Das führte dazu, dass mich die Einheimischen bald respektvoll Allio-Turm nannten.

1925

Nach dem I. Weltkrieg waren die wirtschaftlichen Zeiten sehr schwierig. So gerieten auch die Allios in dritter Generation in finanzielle Schwierigkeiten und gaben mich auf. Johann Josef Allio, 1866 geboren, verstarb am 10.11.1948 in Berching. Daraufhin verlieren sich die Spuren der Familie. Nachforschungen führen nach Österreich, ins nahegelegene Kipfenberg und in den mittelfränkischen Raum.

1925 – 2006

Eine gute Zeit für mich lag hinter mir. Ich fiel in die Hände der Stadt, deren Begeisterung sich angesichts der Unterhaltskosten aber in Grenzen hielt. In meinen Mauern wohnten fortan einfache Menschen unter teils sehr ärmlichen Mietverhältnissen.

Mein letzter Bewohner war Edmund Graf. Ihm konnte ich nur noch ein kärgliches Hausen in kaltem Gemäuer ermöglichen. Als Wärmequelle stand nämlich nur ein Kohleofen im Türmerzimmer zur Verfügung. Die Lebensumstände meines letzten Nutzers waren dem Vernehmen nach ziemlich trist. Er verstarb 2006.

2006 – 2020

Ein Nachmieter stellte sich nicht ein, so blieb ich schließlich viele Jahre unbewohnt. Der Zahn der Zeit nagte schwer an mir. Ein unbemerkter Wasserschaden fraß am Gemäuer und meinen tragenden Balken. Meine Außenseite nach Nordwesten war von Grünzeug überwuchert und die Wurzeln drangen in die Fassade ein.

Meine vormals exponierte Stellung unter den 13 Türmen der Wehrmauer verblasste und ich geriet fast zum Schandfleck der schönen Wehranlage.

2021

Mitten in der Coronakrise aber hellten sich meine Perspektiven auf. Ein im Münchener Raum lebender Oberpfälzer fand Gefallen an mir. Er begeisterte sich mit jedem Besuch zusehends mehr für meine verblassten Qualitäten. Unter schwierigen Corona-Bedingungen kam es zu Verhandlungen mit der Stadt. Sie verliefen trotz der widrigen Rahmenbedingungen zügig und erfolgreich. So bekam ich noch im selben Jahr endlich wieder einen neuen Turmherrn. Besiegelt wurde dies unter Maskenpflicht in Greding, beim dortigen Notariat.

2022

Nach zügigen Vorplanungen und Abstimmungen mit dem Denkmalschutz starteten die Sanierungsarbeiten.
Sie wurde unter der Regie des denkmalerfahrenen Architekturbüros Kühnlein aus Berching durchgeführt. Kompetente Handwerksbetriebe aus der Region schafften es trotz Lieferproblemen und der schwierigen Situation in der Ukraine die Sanierungsmaßnahmen in nur zehn Monaten Ende 2022 abzuschließen.

2023

Heute bin ich sehr stolz darauf, herausgeputzt wieder auf die Sulz, den Park und die historische Altstadt herabschauen zu können. Endlich kann ich Einheimische wie auch die Besucher der Stadt wieder mit meinem schönen Anblick erfreuen.

Mit meinem trutzigen Gemäuer und altem Gebälk, den Holzböden sowie den vielen Fenstern und Nischen möchte ich für meine Gäste eine urgemütliche, wohlige Atmosphäre schaffen. Unentbehrliche Grundlage für eine entspannte Zeit und einen erholsamen Urlaub!